Das Virtuelle Lehre-Informationssystem ist nun schon seit 20 Jahren online. Eine Zusammenfassung der Entwicklungsgeschichte.
In den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die Anmeldungen zu den teilweise teilnehmerbeschränkten Seminaren, Vorlesungen und Übungen in der Fachrichtung Informationswissenschaft an der Universität des Saarlandes über einfache Papierlisten am Schwarzen Brett der Fachrichtung organisiert. Die Studierenden trugen sich diese Listen jeweils am Semesterbeginn ein. Oft kam es in der Folge zu vorhersehbaren Problemen: Studierende trugen sich „auf Vorrat“ in alle Veranstaltungen ein, auch wenn sie gar nicht teilnehmen wollten und vergassen es, sich wieder auszutragen. Die Listen waren teilweise unleserlich, chaotisch und hie und da verschwanden auch komplette Listen von der Pinnwand.
Nicht zuletzt aufgrund der bereits früh ausgewiesenen Fachkomptenz im Bereich Web-Informationssysteme in der Fachrichtung Informationswissenschaft lag es auf der Hand, diese Anmeldungen über ein IT-System abzuwickeln und das System über das schon damals nicht mehr so junge World Wide Web zugänglich zu machen – eine Idee, die der damalige Lehrstuhlinhaber Harald H. Zimmermann engagiert unterstützte.
Prototyp startete 1998
Am 15. September 1998 nahm der Prototyp des so entstandenen „ViLI“ (damals noch „Virtueller Lehrstuhl im Internet“) an der Fachrichtung den Betrieb auf. Das Grundkonzept stammte von dem damaligen Kommilitonen Jae-Ung Yi, der die Betreuung des Systems jedoch nach kurzer Zeit abgab. So kam ich – damals noch als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl tätig – zum Wintersemester 1998/99 in die Verantwortung, den Server und die ViLI-Applikation zu betreuen. Die lief seinerzeit noch auf einem Standard-Windows-PC mit Windows NT 4 und Internet Information Server (IIS). ViLI selbst war auf der Basis von ASP (Active Server Pages) und Access entwickelt worden. ViLI konnte schon zu dieser Zeit einige zentrale Bedürfnisse der Fachrichtung abdecken: Studierende konnten sich registrieren, es konnten diverse Veranstaltungen eingetragen werden und Studierende konnten sich zu den Veranstaltungen über simple Webformulare anmelden. Schon rasch sollte das System in eine semi-produktive Testphase übergehen und bereits die Anmeldungen für das Sommersemester 1999 liefen über ViLI. Allerdings etwas holprig – das System war weder software- noch hardwaremässig dem Ansturm der Studierenden gewachsen. Dennoch kamen die Papierlisten nie mehr zum Einsatz.
„One-Man-Project“ an der Universität des Saarlandes
In den folgenden Jahren bis 2009 wurde viel an ViLI gearbeitet – das System wurde zwischenzeitlich von grundauf neu entwickelt, auf eine LAMP (Linux-Apache-MySQL-PHP)-Plattform migriert und viele Funktionen ergänzt. Zeitweise war ViLI eine meiner Haupttätigkeiten als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Wegen der Finanzknappheit der Fachrichtung war ViLI grösstenteils ein „One-Man-Project“. Ich konnte dank ViLI viele Aspekte der Webentwicklung „am lebenden Objekt“ erlernen und optimieren, eine ideale realitätsnahe Ergänzung zu meinem damaligen Studium der Informationswissenschaft, Informatik und Wirtschaftsinformatik. In ViLI finden sich so auch einige Merkmale verschiedener Web-Trends der letzten beiden Dekaden. Man sieht E-Learning-Funktionen und Realisierungen von Semantic-Web-Konzepten, es wurden (teilweise aus heutiger Sicht verrückte) Load-Balancer- und Clustering-Lösungen eingesetzt und Webserver in virtuelle Server „containerisiert“. Um 2002/03 wurden sogar jeweils mehrere simple Büro-PCs für wenige Stunden zu Servern umgerüstet, damit sie in einem Load-Balancing-Verbund die Last der Anmeldungen stemmen konnten. Zwischenzeitlich verfügte ViLI sogar über eine Art Bibliothekskatalog-Funktion, als der Bestand der damaligen Institutsbibliothek an das System angedockt wurde.
Immer noch online
Und ja, ViLI läuft immer noch. Nach nun mehr genau 20 Jahren ist ViLI (jetzt „Virtuelles Lehre-Informationssystem“) immer noch im produktiven Einsatz. Die Fachrichtung Informationswissenschaft existiert nicht mehr, aber die Fachrichtung Sportwissenschaft nutzt ViLI nun auch bereits seit über 15 Jahren – in diesen Tagen finden die Anmeldungen zum Wintersemester 2018/19 statt. Zugegebenermassen ist seit 2009 die Entwicklung von ViLI kaum noch vorangegangen und das User Interface entspricht nicht mehr dem State of the Art – es wurden seither vor allem Software-Aktualisierungen durchgeführt und Sicherheitsfunktionen ergänzt. Aber es erfüllt seinen Zweck – und nach Aussage vieler Nutzer schafft es dies teilweise besser als grosse kommerzielle Systeme 🙂
Es ist faszinierend, dass in der schnelllebigen Internet-Ära eine Website 20 Jahre überdauern kann. ViLI ist so alt, dass es theoretisch Studierende geben könnte, deren Eltern sich auch schon über ViLI zu Veranstaltungen angemeldet haben. Ich bin mal gespannt, wie lange es noch läuft 🙂
Weil ich es gerade im Archiv wiedergefunden habe (ja, ich habe noch den Original-Code aus dem Jahre 1998) – das Ur-Logo von ViLI, sogar animiert: